Die Giftmörderin Anna Zwanziger
Am 7. August 1760 wurde in Nürnberg im Gasthaus "Zum
schwarzen Kreuz" ein Mädchen geboren, die stolzen
Eltern nannten es Anna Margaretha. Der Geburtsort konnte
vielleicht als schlechtes Ohmen gedeutet werden, aber der
Geburtsname, Schönleben, sollte dies ja eigentlich zu
Genüge ausgleichen. Doch schon anderthalb Jahre
später verstarb ihr Vater, der Gastwirt und
Eigentümer des schwarzen Kreuzes, und wiederum nur
dreieinhalb Jahre später verlor sie auch ihre Mutter
sowie den einzigen Bruder.
In den nächsten Jahren wurde die Vollwaise Anna
zwischen verschiedenen Pflegestellen hin und her geschoben.
Sie kam zunächst in die Obhut einer alten Jungfer in
Nürnberg, von dort nach etwa 2 Jahre zu einer Tante
nach Feucht. Hier wäre sie gerne geblieben, aber nur
weitere 2 Jahre später wurde sie zurück nach
Nürnberg zu einer Pfarrerswitwe geschickt.
Erst als Anna 10 Jahre alt war, nahm ihr Vormund, ein
wohlhabender Nürnberger Kaufmann, sie schließlich
in sein eigenes Haus auf. Warum auch immer er sich vorher
nicht um das Mädchen gekümmert hatte, in den nun
folgenden Jahren versuchte er zumindest, die
vorausgegangene fünfjährige Odyssee von
Pflegestelle zu Pflegestelle so weit wie möglich
vergessen zu machen. Insbesondere sparte er nicht an ihrer
Ausbildung. Neben Unterricht in Religion, weiblichen
Arbeiten und ordentlichem, sittsamem Benehmen lernte sie -
für ein Mädchen damals längst nicht
selbstverständlich - Lesen, Schreiben, Rechnen sowie
zumindest in Grundzügen Französisch.
Als Anna 15 Jahre alt war, bestimmte ihr Vormund den zu
diesem Zeitpunkt mehr als doppelt so alten Unteroffizier
und späteren Notar Zwanziger zu ihrem späteren
Ehemann. Sie liebte diesen Mann nicht und sträubte
sich eine Zeit lang gegen die Hochzeit. Aber mit 19 gab sie
seinem beständigen Werben um sie sowie dem
Drängen ihres Vormundes schließlich nach und
wurde am 5. Oktober 1778 seine Frau.
[1]
In späteren Berichten über ihre Jugend behauptete Anna Zwanziger gerne,
bei ihrer Hochzeit erst 15 Jahre alt gewesen zu sein.
Amtliche Unterlagen belegen aber, dass dies nur eine
weitere Geschichte war, wie sie sie oft erzählte, um
sich wichtiger oder interessanter zu machen.
Diese Ehe war von Beginn an alles andere als
glücklich. Tagsüber ging ihr Mann seinem Beruf
nach, die Abende verbrachte er regelmäßig im
Wirtshaus, wo er oft auch übermäßig viel
Wein trank. Fehlte das Geld für seine ausgiebigen
Trinkgelage, so kam es auch zu Streit und Gewalt, doch am
meisten litt Anna unter der Einsamkeit.
Aber bald änderte sich ihr Leben radikal. Als sie mit
ihrem 21. Geburtstag volljährig wurde, zahlte das
Vormundschaftsgericht ihrem Mann das Vermögen aus, das
Anna von ihrem Vater geerbt hatte. Von nun an widmete sich
das Paar des süßen Lebens, Feiern, Gäste,
Einladungen, musikalische Gesellschaften, Bälle und
Kostümfeste waren ihre Welt.
Innerhalb weniger Jahre brachten sie so das ganze Geld
durch. Und mit der Armut zog auch die Gewalt wieder in die
Familie - zu der inzwischen auch 2 Kinder gehörten -
ein. Die Trinkerei ihres Mannes ging inzwischen so weit,
dass er täglich etwa 10 Flaschen Wein leerte. Reichte
das Geld hierfür nicht, so reagierte er mit Wut und
Aggressivität.
Anna Zwanziger fand nur einen Ausweg aus dieser Situation:
Sie begann ihren Körper zu verkaufen. "Doch besaß
ich", so rühmte sie sich später sogar noch,
"immer so viel Delikatesse, mich nur an Standespersonen zu
halten, die still schwiegen. Denn das Prinzip ist mir von
Jugend auf eingeprägt, mich nur zu Personen zu halten,
die mein Glück machen könnten. So hatte ich denn
auch der Liebe das Glück zu danken, dass ich von edlen
Männern viel unterstützt wurde."
Nach ungefähr 2 Jahren wendete sich das Blatt erneut,
als sie den Plan für eine Uhren-Lotterie
entwickelte, der dann erfolgreich in die Tat umgesetzt
wurde. Mit dem neuen Wohlstand kehrte für das
Ehepaar auch das süße Leben zurück.
Allerdings gab sie die Beziehungen zu anderen
Männern nun nicht etwa völlig auf, sondern sie
ließ sich hierbei lediglich nicht mehr von
finanziellen Erwägungen leiten.
Dies gipfelte schließlich in einem ernsthaften und
für sie äußerst kostspieligen
Verhältnis zu einem Leutnant von B. Als ihr Mann davon
erfuhr, gab es einen heftigen Ehestreit, woraufhin Anna ihn
verließ. Doch nach einigem Hin und Her kam es auf
Betreiben des Ehemanns zur Versöhnung des Paares.
Diese Versöhnung hielt erstaunlicherweise bis zu
seinem Tod nach kurzer Krankheit am 21. Januar 1796, also
im 18. Jahr ihrer Ehe. Obwohl es alles anderes als eine
Liebesheirat und zeitweise eine ziemliche Horrorehe gewesen
war, hatte Anna am Ende wirklich echte Zuneigung für
ihren Mann empfunden.
Der Zeitpunkt, als die mittlerweile 36jährige Anna
Zwanziger zur Witwe wurde, fiel zusammen mit einer erneuten
finanziellen Notlage. Mit den letzten 400 Gulden, die sie
noch aufbringen konnte, begab sie sich nach Wien, wo sie
ein neues Leben als Konditorin beginnen wollte. Doch dieser
Plan scheiterte schnell, und sie verdiente ihr Geld statt
dessen als Haushälterin in verschiedenen angesehenen
Häusern Wiens.
Während dieser Zeit lernte sie einen Schreiber der
ungarischen Staatskanzlei kennen, mit dem sie ein
Verhältnis begann. Die Beziehung endete, als sie von
ihm schwanger wurde. Anna gab das Kind kurz nach der Geburt
in ein Findelhaus, wo es bald darauf verstarb.
Daraufhin kehrte sie nach anderthalb Jahren Abwesenheit
wieder in ihre Geburtsstadt Nürnberg zurück, ohne
genau zu wissen, wie es jetzt in ihrem Leben weitergehen
sollte. Doch kurz nach ihrer Rückkehr machte ihr der
Freiherr von W. einen Besuch, ein Bekannter aus
früheren guten Tagen. Obwohl verheiratet,
erklärte er ihr seine "Freundschaft und Liebe", bot
ihr seinen Schutz und seine Hilfe an. Sie mietete sich ein
Zimmer, wo er sie regelmäßig besuchte, auch
finanziell wurde sie großzügig von ihm
unterstützt, aber nur - so behauptete sie jedenfalls
später - "wie eine Freundin von einem Freunde".
Dieses Verhältnis dauerte etwa 3 Monate, dann erhielt
sie das Angebot, in Frankfurt bei dem Minister-Residenten
von K. als Haushälterin zu arbeiten. Ihr
Beschützer und Freund Freiherr von W. legte ihr keine
Steine in den Weg, ließ sie ziehen und schenkte ihr
zum Abschied sogar noch 100 Gulden.
So reiste Anna Zwanziger nach Frankfurt und trat dort ihre
neue Dienststelle an. Sie hoffte, dass diese neue
Beschäftigung einer weitere Wende zum Besseren in
ihrem Leben bringen würde, doch schon nach 3 Monaten
wurde sie wieder entlassen. Man warf ihr Unreinlichkeit vor
und war unzufrieden mit ihrer Art der Leitung des
übrigen Personals.
Sie blieb zunächst in Frankfurt und mietete sich ein
einfaches Zimmer. Nach einiger Zeit ohne Beschäftigung
und deshalb zunehmend in einer prekären Lage, hatte
schließlich ein Kaufmann Mitleid mit ihr und nahm sie
als neue Kindsmagd in seinem Haushalt auf.
Doch Anna Zwanziger schaffte es nicht, sich mit dieser
neuen Situation abzufinden. Von der einst gebietenden
Hausfrau war sie über die Haushälterin, die
immerhin auch noch eine gewisse Stellung im Haushalt hatte,
letztendlich herunter gekommen zu einer gewöhnlichen
Kindsmagd. Dies schlug ihr so heftig aufs Gemüt, dass
sie sich im Haus des Kaufmanns bald wie eine Irrsinnige
aufführte. Vom Weinen ging sie zum Lachen, vom Lachen
zum Beten und wieder zum Weinen über. Lachend nahm sie
die Befehle ihrer Herrschaft entgegen, begab sich scheinbar
gehorchend an die befohlene Aufgabe, um sie dann doch nicht
zu verrichten.
Wen wundert es, dass ihr Gastspiel in diesem Haushalt nur
sehr kurz war.
Aber schon vor ihrer Entlassung hatte sie sich brieflich
wieder an ihren angeblich so edlen Freund, den Freiherr
von W., gewandt. Dieser bot sich erneut als ihr
Beschützter an, und so reiste sie zurück nach
Nürnberg.
Sofort nach ihrer Rückkehr nahmen die beiden ihre
Beziehung zueinander wieder auf, und diesmal noch
intensiver als zuvor. Selbst Anna konnte bald nicht mehr
leugnen, dass sein Interesse an ihr auch sexueller Natur
war.
Um den verheirateten Mann dauerhaft an sich zu binden,
schwindelte ihm Anna Zwanziger dann schließlich vor,
erneut ein Kind zu erwarten. Doch das Ergebnis war das
genaue Gegenteil dessen, was sie bezweckte. Kaum hatte ihr
Freund von dieser angeblichen Schwangerschaft erfahren,
verhielt er sich Anna gegenüber auffällig
kälter als zuvor, seine Besuche bei ihr wurden immer
seltener und kürzer.
Als sie dann auch noch erfahren musste, dass er eine
bekannte deutsche Schauspielerin, die sich damals in
Nürnberg aufhielt, weit häufiger und lieber
besuchte als sie selbst, griff Anna Zwanziger zu einem
Aderlasseisen, um sich hiermit beide Unterarme aufzuritzen.
Wie von ihr beabsichtigt wurde sie von ihrem Vermieter
überrascht und gerettet. Dieser war so entsetzt, dass
er noch am selben Tag Freiherr von W. von dem Vorfall
unterrichtete.
Daraufhin besuchte der Freiherr seine Freundin, ihr
Vermieter zeigte ihm die Kaffeeschale, voll mit ihrem Blut
vom Vortag. Doch anders als von Anna erhofft reagierte er
nicht etwa mit Betroffenheit, sondern er lachte sie als
Närrin aus. Sie überschüttete ihn mit
Vorwürfen, die darin gipfelten, dass die Nachricht von
seiner Untreue bei ihr eine Fehlgeburt ausgelöst
hätte und er somit die Schuld trüge am Tod ihres
ungeborenen Kindes - das in Wahrheit wohl nur in ihrer
Phantasie existiert hatte. Und wie er über ihren
Selbstmordversuch lachen könne? Schließlich habe
er schon einmal ein Mädchen unglücklich gemacht,
das von ihm geschwängert wurde und am Ende mit ihrem
Kind ins Wasser gegangen sei. Doch Freiherr von W. lachte
erneut, drehte sich um und ging, um für immer aus
ihrem Leben zu verschwinden.
Von blinder Rache getrieben schickte Anna Zwanziger
sogleich die Briefe ihres Liebhabers an dessen Ehefrau.
Anschließend ging sie hinunter an das Ufer der
Pegnitz, um - wie sie später versicherte - ihrem Leben
entgültig ein Ende zu bereiten.
Aber spätestens hier wird deutlich, wie ernst es ihr
wirklich mit ihren Selbstmordabsichten war. Auf ihren
angeblich letzten Gang hatte sie nämlich ihr
Dienstmädchen mitgenommen. Welchen Grund konnte es
hierfür wohl geben, außer den, dass Anna
Zwanziger jemanden in ihrer Nähe wissen wollte, damit
sie sicher gerettet werden würde.
Als sie dann tatsächlich ins Wasser sprang, musste das
Dienstmädchen jedoch gar nicht eingreifen. Zwei in der
Nähe beschäftigte Fischer brachten die
vermeidliche Selbstmörderin schnell wieder an Land,
der einzige Schaden, den sie davontrug, waren ihre
durchnässten Kleider.
Rasch wurde trockene Kleidung herbei geholt, und das
Dienstmädchen machte sich mit den nassen Beweisen des
zweiten Selbstmordversuchs auf den Weg zum Freiherr von W.
Doch dieser zeigte sich erneut unbeeindruckt, er drohte
sogar, Anna Zwanziger solle sich "unverzüglich und so
weit als möglich" von Nürnberg entfernen.
Tatsächlich reiste diese noch in derselben Nacht ab
nach Regensburg.
In den folgenden Jahren führte das Schicksal sie
zunächst wieder nach Wien, dann noch einmal
zurück nach Nürnberg und von da nach
Thüringen. Aber nirgends fand sie ihr privates oder
berufliches Glück.
Im Jahr 1804 trat sie schließlich eine neue Anstellung
als Dienstmagd im Haus des Kammerherrn von S. in Weimar in
Thüringen an. Aber der Dienst in diesem Haus war
beschwerlich und der Lohn eher niedrig, so dass sie nach
ungefähr 6 Wochen beschloss, die Stellung ohne
Vorankündigung still und heimlich zu verlassen. Jedoch
nicht, ohne sich den für die schwere Arbeit ihrer
Meinung nach angemessenen Lohn mitzunehmen.
Und so fehlte im Haushalt des Herrn von S. wenig
später nicht nur die neue Dienstmagd, sondern mit ihr
auch ein wertvoller, mit Edelsteinen besetzter Ring aus dem
verschlossenen Schreibtisch der Dame des Hauses.
Aus Weimar glücklich mit ihrer Beute entkommen, suchte
Anna Zuflucht in Mainbernheim bei ihrer Tochter und ihrem
Schwiegersohn, dem Buchbinder Sauer. Nach nur 3 Tagen las
dieser in der Zeitung von dem entwendeten Brillantring aus
Weimar und dass seine eigene Schwiegermutter deshalb als
Diebin steckbrieflich gesucht wurde. Er verwies sie
sogleich seiner Wohnung, noch am selben Tag reiste sie
wieder weiter nach Würzburg.
Doch egal wo sie sich in nächster Zeit aufhielt, jener
Steckbrief verfolgte sie. Sie wurde geächtet und war
bürgerlich vernichtet. Hierüber erzürnt, war
sie so unverschämt, einen Brief an den vor ihr
bestohlenen Herrn von S. nach Weimar zu schreiben, in dem
sie ihm vorwarf, durch seine öffentliche Ausschreibung
ihrer Tat habe er sie ins Unglück gestürzt.
Aber das änderte nichts an der Tatsache, dass ihr Name
von jetzt an ehrlos war. Deshalb vertauschte sie
schließlich den Namen Zwanziger mit ihrem
Geburtsnamen, Anna Schönleben. Noch später nannte
sie sich Nannette Schönleben, geborene
Steinacker.
Mit diesem neuen Namen fand sie einige Anstellungen in
verschiedenen Orten in Franken, meist sogar in höheren
und gebildeten Häusern, aber nichts von längerer
Dauer.
Im Jahr 1805 kam sie dann nach Neumarkt in der Oberpfalz.
Hier schien sich ihr Leben zunächst endlich wieder zum
Besseren zu wandeln. Sie unterrichte junge Mädchen in
Handarbeiten und überzeugte in dieser neuen Aufgabe.
So war sie schnell als fleißig und anständig im
Ort bekannt, bald bekam sie genug Schülerinnen sowie
Aufträge für eigene Arbeiten, um sich ein gutes
Auskommen zu verschaffen.
Wahrscheinlich hätte sie in Neumarkt auf Dauer
zumindest ihr berufliches Glück finden können, aber mit ihren
unglücklichen Beziehungen zu Männern machte sie
sich auch diese Chance selbst wieder zunichte. Sie
lernte General N. kennen, der aus München zu Besuch in
Neumarkt weilte. Der alte Mann war von der mittlerweile
45jährigen Anna recht angetan, und sie ließ sich
schnell auf ein Verhältnis mit ihm ein. Als er einmal
vage davon sprach, in Zukunft für sie sorgen zu
wollen, sah sich Anna Zwanziger in ihren Träumen
sofort als Freundin einer Exzellenz in München
einziehen.
Doch dann verließ General N. Neumarkt ohne das
Versprechen, seine Geliebte nach München nachzuholen.
Sie schrieb ihm, erhielt aber keine Antwort. Daraufhin
schickte sie ihm eine Weile später erneut einen Brief,
diesmal um ihn von ihrer angeblichen Schwangerschaft zu
unterrichten. Dieser Trick hatte ja schon früher nicht
funktioniert, und er führte auch diesmal nicht zum
Ziel. Der alte General N. reagierte nur insofern, dass er
ihr durch einen Pfarrer eine geringe Summe Geldes zukommen
ließ. Doch er selbst nahm keinen Kontakt zu seiner
kurzzeitigen Geliebten auf. Aber all führte nicht etwa
dazu, dass Anna ihre Träume entmutigt aufgab und sich
der Realität stellte. Im Gegenteil, sie verließ
nun Neumarkt und folgte ihrem Geliebten nach München,
immer noch überzeugt, er würde sie mit offenen
Armen freudig empfangen und fortan für ihren Unterhalt
sorgen.
Nach ihrer Ankunft ging sie zu seiner Adresse, wurde jedoch
nicht zum General vorgelassen. Daraufhin mietete sie sich
in einem Gasthaus ein und schickte ihm von hier aus eine
Nachricht. Als Antwort bekam sie Besuch vom Sekretär
seiner Exzellenz, der ihr ein kleines Reisegeld
übergab mit der Weisung, sie solle seinen
gnädigen Herren nicht weiter mit ihren
Zudringlichkeiten belästigen.
Jetzt endlich musste auch Anna Zwanziger einsehen, dass sie
mal wieder auf einen Mann herein gefallen war, der es nie
ernst mit ihr gemeint hatte. Sie verließ München
und zog mal wieder durch die Lande, nahm hier und da eine
neue Anstellung an, aber wie schon früher war nichts
von Dauer.
Am 25. März 1808 trat sie wieder einmal eine Stelle
als Haushälterin an, diesmal bei dem Justizamtmann
Glaser in Kasendorf in der Fränkischen Schweiz nahe
Bayreuth. Glaser, wie sie selbst um die 50 Jahre alt, lebte
seit einigen Jahren von seiner Frau getrennt. Er war nett
und freundlich zu seiner neuen Haushälterin, und
schnell verfiel Anna in ihren alten Fehler und verwechselte
dies mit Liebe. Sie bildete sich ein, nur aus
Loyalität zu seiner Ehefrau würde er sich nicht
zu seinen Gefühlen zu seiner Bediensteten bekennen. Da
reifte ein perfider Plan in ihr. Sie begann die
Aussöhnung der Ehegatten zu betreiben, einerseits,
indem sie mit aller Kraft versuchte, ihren Herrn zur
Wiederaufnahme seiner Gattin zu überreden.
Andererseits schrieb sie auch - zunächst ohne Wissen
des Amtmanns - Briefe an die bei ihren Bruder lebende
Ehefrau und sogar an gemeinsame Freunde der Glasers, um
diese zur Teilnahme an den Versuchen zur Versöhnung
der Eheleute zu bewegen.
Schließlich führten Annas Bemühungen
wirklich zum Erfolg, Glaser war zu einem Versuch bereit.
Auch seine Frau stimmte zu, wenn auch innerlich hin und her
gerissen und voller Zweifel, wie sie an Verwandte schrieb.
Am 22. Juli 1808 holte der Amtmann seine Ehefrau
zurück nach Hause, und die Haushälterin bereitete
ihnen einen glänzenden Empfang. Das ganze Dorf war zum
Willkommen geladen, das ganze Haus mit Blumen
geschmückt. Zusätzlich hatte Anna Zwanziger im
Schlafzimmer Blüten gestreut wie für eine
Hochzeitsnacht, das Ehebett war mit Blütenkränzen
verziert, zwischen denen ein Papier geheftet war mit dem
Vers
Der Witwe Hand
knüpft dieses Band.
In den folgenden Wochen behandelte die Haushälterin
die zurückgekehrte Ehefrau scheinbar mit aller
Aufmerksamkeit und Liebe. Dies muss ihr umso schwerer
gefallen sein, da sie sich ja als eigentlich
rechtmäßige Herrin des Hauses sah. Denn sie war
immer noch felsenfest überzeugt, dass Glaser sie schon
längst mit ihr verlobt hätte, wäre nur seine
Frau nicht gewesen. Am 13. oder 14. August begann Anna
Zwanziger schließlich, den letzten und entscheidenden
Teil ihres Plans umzusetzen.
Sie schüttete einen
Teelöffel Mückenstein
[2]
Graues Arsen wurde damals auch als Mücken- oder
üblicher als Fliegenstein bezeichnet, weil man das Gift
auch zur Herstellung von damals gebräuchlichen
Insektenvernichtungsmitteln verwendete.
in Frau Glasers Tee. Einige Stunden später wurde
dieser schlecht, so dass sie sich einige Male
übergeben musste. Aber die Giftmenge reichte noch
nicht, um die Frau zu töten. Also wiederholte Anna
ihren Anschlag wenige Tage später, diesmal löste
sie einen guten Esslöffel Mückenstein im Kaffee
der Amtmännin auf.
In der Nacht erkrankte diese erneut an Übelkeit mit
Erbrechen, Durchfall und heftigen Magenschmerzen, und
anders als beim ersten Giftanschlag erholte sie sich
diesmal nicht mehr. Die Symptome wurden in der
nächsten Tagen immer heftiger, am 26. August
- also nur gut einen Monat
nach der Versöhnung mit ihrem Mann - verstarb sie
schließlich.
Zum damaligen Zeitpunkt vermutete niemand eine Vergiftung
als Todesursache, und so geriet natürlich auch Anna
Zwanziger - oder Schönleben, wie sie sich ja
inzwischen nannte - nicht in den Verdacht, etwas mit dem
Tod der Hausherrin zu tun zu haben. Das einzige, was
für sie nicht planmäßig lief: Der Witwer
machte keinerlei Anstalten, sich nun seiner
Haushälterin zuzuwenden.
So nahm diese dann am 26. September 1808 das Angebot des
Justizamtmann Grohmann aus Sanspareil, einem Kollegen
Glasers, an und wechselte in dessen Haushalt. Grohmann war
auf den ersten Blick ein stattlicher Mann, aber er litt an
Gicht und war auch sonst eher kränklich. Mit seinen 38
Jahren war er noch unverheiratet. Und obwohl man der
Zwanziger ihr Alter inzwischen deutlich ansah, sie im Laufe
der Jahre auch krumm und buckelig geworden war, bildete sie
sich doch schnell wieder ein, auch dieser Mann würde
sie insgeheim lieben. Eifersüchtig wachte sie
darüber, dass niemand ähnlich engen Kontakt zu
Grohmann haben sollte wie sie selbst.
Da kamen ihr die beiden Gerichtsdienerburschen Lorenz und
Johann Dorsch in die Quere, die öfter im Haushalt
Grohmanns aushalfen. Abgesehen davon, dass es ihr wohl
nicht gefiel, wie gut sich der Amtmann augenscheinlich mit
den beiden verstand, ärgerten und neckten sie seine
Haushälterin auch bei jeder sich bietenden
Gelegenheit. Da beschloss sie sich zu rächen, indem
sie ihnen mit Mückenstein bzw. Rattengift versetztes
Bier vorsetzte. Die beiden Brüder tranken davon, aber
nur wenig, es schmeckte ihnen nicht. Doch im Laufe der
folgenden Wochen wurde mehreren Besuchern Grohmanns Bier
aus den vergifteten Krügen serviert - ein Versehen,
behauptete die Zwanziger später - woraufhin einige
Gäste heftig an Übelkeit und Erbrechen
erkrankten.
Wahrscheinlich hätte Anna Zwanziger bald einen neuen
Versuch unternommen, die Brüder Dorsch loszuwerden
oder doch zumindest mit heftigen Krämpfen und
Schmerzen für ihre Lästereien über die alte
Haushälterin zu bestrafen. Doch dann wurde ihre
Aufmerksamkeit auf ein anderes, weit größeres
Problem gelenkt. Sie erfuhr, dass Grohmann, so
kränklich er auch war und so gut sie versucht hatte,
ihn unter ihren Fittichen zu halten, verliebt war und
heiraten wollte. Die Zwanziger äußerste vor
Besuchern Grohmanns wiederholt ihre Abneigung gegen seine
Hochzeitspläne, "Der Mann ist immer krank und will
doch heiraten." Seine eigene Schwester versuchte sie zu
überzeugen, "Die Braut ihres Bruders ist an ein
lustiges Leben gewöhnt; sie werde sich in das einsame
stille Sanspareil nimmermehr finden, und auch wenig Lust
haben, immer mit der Klistierspritze umherzugehen." Auch
Grohmann verschonte sie natürlich nicht mit ihren
ständigen Vorträgen, er beschwerte sich bei
Freunden über die lästige Zudringlichkeit seiner
Haushälterin, "Bei jedem Brief, den ich erhalte,
vermutet sie einen Heiratsantrag; sie, so alt sie sei,
bilde sich wohl gar ein, er werde sie selbst noch
heiraten."
Im Frühjahr 1809 hörte Anna Zwanziger das Gerücht, das Aufgebot sei bereits öffentlich ausgehängt, in 8 Tagen werde die Ankunft der Braut in ihrem zukünftigen Haus erwartet. Etwa zu diesem Zeitpunkt erkrankte Grohmann dann schwer, und diesmal mit ganz anderen Symptomen als gewohnt. Neben heftigem Erbrechen, Schmerzen in den Eingeweiden, wiederholten heftigen Durchfällen litt er vor allem an einer Entzündung des gesamten Verdauungstrakts vom Schlund bis zum After. Nach 11-tägiger Krankheit starb er schließlich am 8. Mai 1809. Seine Ärzte bescheinigtem dem schon lange kränkelnden Grohmann einen natürlichen Tod, und niemand schöpfte Verdacht gegen seine Haushälterin. Allerdings fiel sie in den ersten Tagen nach seinem Tod auf durch übertriebenes, affektiertes Heulen und Schreien über den erlittenen Verlust. Dieses stimmte sie bevorzugt dann an, wenn eine andere Person das Zimmer betrat.
Die Zwanziger bzw. Schönleben war also nun wieder
einmal ohne Stellung. Da sprach sie die hochschwangere Frau
des Kammeramtmanns Gebhard - eines weiteren Kollegen
Glasers und Grohmanns - an, die für die Zeit nach
ihrer Niederkunft eine verlässliche Haushälterin
und Kinderfrau suchte. Schon 5 Tage nach Grohmanns Tod, am
13. Mai 1809, zog Anna Zwanziger um ims Haus der Gebhards.
Noch am selben Tag kam etwas zu früh das Kind zur
Welt, aber Mutter und Tochter waren wohlauf.
Vom ersten Tag war Frau Gebhard unzufrieden mit der Arbeit
ihrer Haushälterin, warf ihr vor, den Haushalt
verwahrlosen zu lassen. Zornig über diese schnöde
Behandlung beschloss Anna schon nach 4 Tagen, ihre neue
Hausherrin zu vergiften, "nicht zum Sterben, sondern um sie
durch das dadurch verursachte Erbrechen zu plagen, weil sie
mich auch so geplagt hatte". Sie ging hinunter in das
Gewölbe des Hauses, wo sie 2 Krüge des dort
gelagerten Bieres mit Gift versetzte, den ersten mit einer
guten Hand voll Mückenstein, den zweiten mit einer
noch höheren Dosis Rattengift.
Am gleichen Abend wurde der frischgebackenen Mutter Bier
aus dem mit Mückenstein vergifteten Krug serviert, ihr
ahnungsloser Ehemann selbst schenkte ihr mehrmals nach.
Noch in derselben Nacht erkrankte Frau Gebhard schwer.
Dennoch reichte ihr die Zwanziger am zweiten Tag danach,
Freitag den 19. Mai 1809, Bier aus dem zweiten, noch
stärker vergifteten Krug. Am folgenden Tag, also nur
eine Woche nach der Geburt ihrer Tochter, starb Frau
Gebhard unter großen Schmerzen.
In der Nacht vor ihrem Tod hatte sie noch ausgerufen "Um
Gottes Willen! Ihr habt mir Gift gegeben!" Doch da Frau
Gebhard schon immer eher schwächlich und zudem im
Wochenbett verstorben war, der Arzt auch noch feststellte,
dass sie unter einem Bandwurm gelitten habe, wurde ihr Tod
zunächst ebenfalls als natürlicher Tod angesehen.
So gab es auch diesmal keinen Verdacht gegen die
Haushälterin. Es kamen jedoch erste Gerüchte auf,
"Diese Schönleben, wohin sie auch komme, bringe sie
den Tod mit sich in das Haus." Diese Warnungen wurden auch
Herrn Gebhard zugetragen, doch er behielt die Zwanziger in
seinem Haus. Hauptsächlich weil er mit der neuen
Situation und seinem gerade geborenen Kind überfordert
war. Aber auch, weil seine Haushälterin und Kinderfrau
mit ihrem augenscheinlich gefälligen Betragen, ihrem
Anschein von Gottesfurcht und Rechtschaffenheit keinerlei
Anlass gab, ihr mehr vorzuwerfen als eben dass sie
Unglück bringe.
Im August desselben Jahres weilten der Handlungsdiener Beck und die Witwe Alberti bei Gebhard zu Besuch. Beck war regelmäßiger Gast im Haus, wiederholt hatte er die Haushälterin verspottet und geärgert. Deshalb nahm sie den mit Rattengift vergifteten Krug Bier, der seit der Ermordung der Gebhard noch halb voll im Keller stand. Sie füllte diesen Krug mit frischen Bier auf und servierte dies dann den Gästen. Die Witwe Alberti, die ihr ja nichts getan hatte, warnte sie angeblich vor dem Genuss des Bieres, aber wohl nur halbherzig und unauffällig, um keinen Verdacht zu erregen. So tranken denn beide Besucher von dem Gift, in der folgenden Nacht erkrankten sie heftig an Erbrechen mit Magenschmerzen und Zuckungen. "Ich habe (ich muss es sagen) meinen Spaß dabei gehabt, wenn die Leute, die mich so quälten, sich erbrechen mussten", so sagte Anna Zwanziger später zu diesem Vorfall.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt
verlor die Zwanziger dann endgültig jedes Maß.
Ab jetzt griff sie bei jeder Gelegenheit zu ihrem Gift,
es reichte ein böses Wort, ein frecher Blick oder
sogar einfach nur, dass Gäste zu einem ihr
ungünstigen Zeitpunkt kamen oder sonst lästig
waren. Ende August reichte sie dem Kammeramtsboten
Rosenhauer vergifteten Weißwein, er neigte zu
Klatsch und Tratsch und war ihr deshalb von Herzen
zuwider. Am selben Tag nahm sie den 19jährigen
Laufburschen Rosenhauers, Johann Krauss, mit sich in den
Keller, wo sie ihm ein Glas Branntwein reichte. Als er
etwas davon getrunken hatte, bemerkte er eine weiße
Substanz im Glas, trank deshalb nicht weiter, erkrankte
aber dennoch an Übelkeit. "Er sei halt immer so
grob zu ihr gewesen" begründete sie diese Tat.
Ebenfalls Ende August 1809 erkrankte eine der Mägde
des Gebhard, Barbara Waldmann, nach dem Genuss einer Tasse
Kaffee, die ihr die Haushälterin gereicht hatte.
Zwischen den beiden Frauen war er im Vorfeld zu einer
unbedeutenden Zänkerei gekommen.
Der auffallendste Zwischenfall ereignete sich dann am 1.
September des Jahres. An diesem Tag vergnügte sich der
Witwer Gebhard mit einigen Kollegen und Freunden auf dem
Kegelplatz nahe seines Hauses. Im Laufe des Abends
beauftragte er seine Haushälterin, einige Krüge
Bier aus seinem Keller zu holen und ihm und seinen
Gästen zu servieren. Kurze Zeit später erkrankten
der Hausherr und alle seine 5 Besucher an Übelkeit und
Erbrechen, einige von ihnen - auch Gebhard selbst - so
heftig, dass ein Arzt gerufen werden musste.
Die Zwanziger bestritt später ihre Schuld an diesem
Vorfall, allenfalls könne es ein Versehen gewesen
sein. Aber nach diesem Abend regte sich erneut deutlicher
Unmut gegen die Zwanziger bzw. Schönleben. Zwar dachte
immer noch niemand an einen Anschlag, aber diesmal
hörte Gebhard auf die Warnungen seiner Freunde, sie
sei ein "rätselhaftes, unheilbringendes
Wesen". So kündigte er
ihr, nahm ihr sofort alle Schlüssel seines Hauses
ab und organisierte ihre
Abreise aus Sanspareil nach Bayreuth noch für den 3.
September. Allerdings stellte er ihr ein gutes
schriftliches Zeugnis aus, in den er die "Treue und
Bravheit ihres Betragens" rühmte.
Wie zu erwarten zeigte sie sich sehr befremdet über
diese plötzliche Entlassung. Dennoch schien sie sich
zu bemühen, alles so zu richten, dass der Gebhardsche
Haushalt ohne sie reibungslos weiter funktionieren
würde. Unter anderem nahm sie das Salzfass aus der
Küche, um es aus der im Schlafzimmer Gebhards
stehenden Salztonne noch einmal aufzufüllen. Dies war
noch nie ihre Aufgabe gewesen, als die Magd sie irritiert
fragte, was sie da mache, antwortete sie "Dies müsse
so sein; die Leute, welche weggingen, müssten das
Salzfass füllen, damit das zurückbleibende
Gesinde desto länger der Dienst behalte." In Wahrheit
war dies Teil ihrer Rache gewesen, sie hatte bei dieser
Gelegenheit das Salz sowohl im Salzfass als auch in der
Salztonne mit Arsenik vergiftet.
Am nächsten Morgen bereitete sie den beiden
Mägden zum Abschied noch einen Kaffee, auch dieser mit
Arsenik vergiftet. Anschließend - der Wagen für
ihre Abreise stand schon bereit - ging sie, das 20 Wochen
alte Kind Gebhards noch ein letztes Mal zu umarmen. Dabei
fütterte sie es mit einem Biskuit, den sie wiederholt
in ein Glas mit Mückenstein versetzter Milch tauchte.
Ganz zuletzt gab sie ihm dann den Rest dieser Milch zum
Trinken. Dies geschah nicht als weitere Rache an Gebhard,
sie wollte vielmehr erreichen, dass das Kind nach ihrer
Abreise unablässig schreien und weinen sollte, damit
sich der Hausherr vielleicht doch noch einmal besinnen
würde, seine alte Kinderfrau zurückzuholen. Aus
diesem Grund wandte sie sich, in Bayreuth angekommen, auch
dreist ausgerechnet an die Mutter der vor ihr ermordeten
Frau Gebhard, um sich wie eine alte Freundin hier für
die nächsten 4 Wochen einzumieten - so würde sie
am schnellsten erfahren, wenn Gebhard ihre Rückkehr
wünschte.
Kaum war die Zwanziger eine halbe Stunde aus dem Haus, da
erkrankten sowohl das Kind als auch die beiden Mägde
an heftigen Erbrechen. Und erst jetzt regte sich ein
Verdacht gegen die ehemalige Haushälterin. Die
Mägde berichteten ihrem Hausherrn von dem Kaffee, den
die Haushälterin ihnen serviert hatte - was
selbstverständlich nicht ihre Pflicht gewesen
wäre. In diesem Zusammenhang erinnerte sich die Magd
Waldmann dann an das Auffüllen des Salzfasses am
Vorabend, ja ebenfalls nicht Aufgabe der Haushälterin.
Zumindest nachdenklich geworden, brachte Gebhard daraufhin
das Salzfass zum örtlichen Apotheker, der bei seiner
Untersuchung feststellte, dass das Salz in der Tat stark
mit Arsenik vergiftet war. Eine gerichtliche Untersuchung
ergab später, das auch in der Salztonne auf 3 Pfund
Salz 30 Gramm Arsenik gemischt worden waren.
Am 29. September 1809 zeigte Gebhard seine ehemalige
Haushälterin beim zuständigen Kriminalsenat in
Bayreuth an, es begann die offizielle Untersuchung vor Ort.
Schnell wurden die weiteren Fälle angezeigt, in denen
Personen erkrankt waren, nachdem sie als Gäste des
Hauses bewirtet worden waren. Egal ob bei Gebhard, Glaser
oder Grohmann, aber immer zu Zeiten, als die
Schönleben in diesen Haushalten im Dienst stand, und
immer mit ähnlichen Symptomen.
Bald entdeckte man auch, dass der Name, Nannette
Schönleben, geborene Steinacker, falsch war, sie in
Wahrheit Anna Margaretha Zwanziger, geborene
Schönleben hieß. Steinacker war der Name ihres
inzwischen verstorbenen Stiefvaters (nach dem Tod der
Eltern).
Wichtigster Punkt der Untersuchung waren natürlich die 3 Todesfälle, die sich ereigneten, wo die Zwanziger bzw. Schönleben als Haushälterin arbeitete. Am 23. Oktober wurde deshalb auf dem Kirchhof von Kasendorf zuerst der Leichnam der Frau Glaser ausgegraben. Auffällig fanden sich an dieser Leiche alle jene äußeren Kennzeichen, die erst seit kurzen als sichere Anzeichen für eine Arsenikvergiftung bekannt waren. Als erstes war da die geringe Verwesung, die Frau war ja immerhin schon vor 14 Monaten begraben worden. Die Oberfläche des Körpers schien wie zu einer Mumie erhärtet zu sein, die Haut schimmerte unter einer Schicht Schimmel Mahagonibraun. Der Unterleib war etwas ausgedehnt, wenn man mit einem Stock darauf schlug, erklang ein hohler, dumpfer Laut. Gleichwohl waren Haut und Muskeln am Bauch zu einer gleichförmigen, speck- oder käseartigen Masse verwandelt, auch verbreitete der Körper einen eigentümlichen Käsegeruch.
In den folgenden Tagen wurden die Leichen von Grohmann und
Frau Gebhard ebenfalls obduziert, beide zeigten die
gleichen Symptome einer Vergiftung durch Arsenik.
Allerdings bei Grohmann weniger ausgeprägt, da bei
seinem Leichnam die Fäulnis weiter fortgeschritten war
als bei den beiden Frauen. Aber auch bei Grohmann fanden
sich die mumienhaft elastisch-verhärtete,
mahagonifarbene Haut sowie die speckartige Bauchdecke.
Bei einer chemischen Untersuchung der Eingeweide
ließen sich schließlich bei Glaser und Gebhard
auch Arsenik selbst nachweisen. So kam das ärztliche
Gutachten zu dem Schluss, dass zumindest die beiden Frauen
eindeutig an einer Vergiftung mit Arsenik gestorben waren.
Anna Zwanziger ahnte von all diesen Untersuchungen nichts.
Nach ihrem vierwöchigen Aufenthalt in Bayreuth bei der
Mutter ihres letzten Opfers reiste sie weiter nach
Nürnberg. Wiederholt schickte sie Briefe an Gebhard,
in denen sie vor ihrem guten Befinden und ihren Aussichten
auf eine neue Anstellung berichtete, sich nach dem
Wohlergehen des Kindes erkundigte, ihm zärtlich
Küsse zusendet ließ, sowie die "fortdauernde
Gnade ihres verehrungswürdigen Herrn" erbat. Es war
wohl ihr größter Wunsch, in seinem Haushalt
wieder aufgenommen zu werden. Mit ihren Briefen wollte sie
ihn möglichst oft an sich erinnern, ihm aber auch ein
schlechtes Gewissen machen, sie so undankbar entlassen zu
haben.
Auch an Glaser schrieb sie in dieser Zeit, sie bot ihm von
neuen ihre willigen Dienste als Haushälterin an.
Aber weder vom einen noch vom anderen Herren kam die von
ihr ersehnte Antwort. Statt dessen wurden sie
schließlich am 18. Oktober 1809 in Nürnberg
verhaftet. Bei ihrer Durchsuchung fand man in ihrer Tasche
3 Päckchen, zwei mit Mückenstein und eins mit
Rattengift.
In allen Verhören vom 19. Oktober bis zum 16. April
1810 leugnete Anna Zwanziger vehement, irgend etwas mit den
ihr zu Last gelegten Taten zu tun zu haben. Fast glaubte
sie schon, sie würde damit durchkommen und man
würde ihr nichts nachweisen können. Doch dann
wurde sie mit dem medizinischen Gutachten konfrontiert,
dass zumindest Frau Glaser und Frau Gebhard vergiftet
wurden, und dass es zumindest im Fall Glaser kaum einen
Zweifel geben konnte: sie hätte ihr das Arsenik
beigebracht. 2 Stunden lang musste der Untersuchungsrichter
diesen Vorwurf wiederholen, dann brach sie schließlich
zusammen und gestand diesen Mord. Allerdings war ihr
Geständnis geprägt von ihrer Falschheit und
Verschlagenheit. So nahm sie die Schuld am Tod der Frau
Glaser nicht etwa einfach auf sich, sie beschuldigte den
Ehemann gleich mit. Er habe sie zum Mord an seiner Frau
angestiftet, habe von dem ersten Anschlag mit dem Tee
gewusst, beim zweiten Mal ihr sogar selbst den
Mückenstein gereicht, damit sie damit den Kaffee
vergiften sollte.
Tatsächlich hatte dieses Geständnis zur Folge,
dass auch eine Untersuchung gegen den Justizamtmann Glaser
eingeleitet, er sogar verhaftet wurde. Aber diese
Untersuchung endete mit der Feststellung der vollkommenden
Unschuld des Beschuldigten. Doch kam in diesem Zusammenhang
noch eine weitere Tat der Zwanziger ans Licht. Etwa eine
Woche vor dem ersten Anschlag auf Frau Glaser waren die
Eheleute Wagenholz mit ihrem Sohn zum Abendessen bei den
Glasers eingeladen. Kurz nach dem Essen erkrankten Glaser,
seine Frau, Herr Wagenholz und sein Sohn an Übelkeit
und Erbrechen. Reste dieses Essens überließ die
Zwanziger am folgenden Tag dem Sohn des Nachtwächters,
woraufhin auch er an den gleichen Symptomen schwer
erkrankte. Sie hat es nie zugegeben, aber alle Indizien
sprechen dafür, dass Anna Zwanziger hier geprobt
hatte. Sie wollte die Wirkung des Mückensteins testen.
Was die weiteren Vorwürfe gegen die ehemalige
Haushälterin betrifft:
Im Fall Grohmann konnte nie vollkommen zweifelsfrei
bewiesen werden, dass auch er durch Gift starb. Doch
machen es erstens der Verlauf seiner letzten Krankheit,
der völlig anders war als seine üblichen
Erkrankungen, und zweitens die Befunde bei der Obduktion
und anschließenden medizinischen Untersuchung des
Leichnams, mehr als wahrscheinlich, dass auch er
vergiftet wurde. Dann ziehe man noch in Betracht, dass
Anna Zwanziger schließlich zugab, den Brüdern
Dorsch im Hause Grohmann mit Mückenstein und
Rattengift versetztes Bier serviert zu haben, dass sie
weiter zumindest nicht ausschließen konnte, auch
anderen Besuchern des Hauses dieses Bier vorgesetzt zu
haben. Schließlich noch ihre Art, wie sie ihren
gichtkranken Hausherren ständig umsorgte,
eifersüchtig darüber wachte, dass niemand
anderer ihm zu Nahe kommen sollte, insbesondere auch
niemand außer ihr ihm seine Arzneien reichen
durfte. Zuletzt ihr affektiertes, übertriebenes
Heulen und Schreien nach seinem Tod. All dies zusammen
genommen scheint es fast ausgeschlossen, dass nicht auch
Grohmann ein Opfer der Zwanziger war. Doch diese Tat
bestritt sie bis zuletzt, so dass unklar blieb, was ihr
eigentliches Motiv bei diesem Mord war: Ist ihre
heimliche Liebe zu ihrem Herrn schließlich in Hass
umgeschlagen, wollte sie hauptsächlich seine junge
Braut strafen, auf die sie unendlich neidisch war (aber
warum hat sie dann nicht gewartet, bis diese im Haus und
damit in ihrer Reichweite war)? Hatte sie gehört,
wie Grohmann sich über ihre lästige
Aufdringlichkeit beklagte und einfach nur Angst, ihre
Stellung so oder so zu verlieren? Oder wollte sie ihn
vielleicht gar nicht töten, sondern hatte ihm Gift
verabreicht, um ihn auf längere Zeit zu krank zu
halten, um heiraten zu können - in der Hoffnung,
damit für ihn auf Dauer zumindest als
Krankenpflegerin unverzichtbar zu werden?
Wie auch immer, sie bestritt diese Tat, räumte am Ende
lediglich ein, auch er könne von dem für die
Brüder Dorsch vergifteten Bier versehentlich getrunken
haben. Denn sie habe nachher diese vergifteten Krüge
einfach wieder in den Keller zu den anderen gestellt, habe
sie aber wohl nicht genügend gekennzeichnet. Am Ende
habe selbst sie nicht mehr gewusst, wer von diesem Bier
trank und wer nicht. "Aber Grohmann war mir viel zu
schätzbar, als dass ich ihn absichtlich hätte
schaden mögen; denn er war mein alles, und den Bissen,
den er aß, den aß ich auch. Er war mein bester
Freund, und hat mich niemals gekränkt, so dass ich an
ihm nichts zu rächen Ursache gehabt hätte." Und
trotzdem lässt sie die Krüge mit vergifteten Bier
offen zwischen den anderen stehen, unternimmt nichts um zu
verhindern, dass nicht auch ihr "bester Freund, ihr alles"
von diesem Gift trinken könnte?
Schließlich die Vorfälle im Hause Gebhard:
Die Vergiftung von Frau Gebhard räumte Anna Zwanziger
ein, allerdings "nicht zum Sterben, sondern um sie durch
das dadurch verursachte Erbrechen zu plagen, weil sie mich
auch so geplagt hat, gab ich ihr das Gift. - Könnte
ich überzeugt sein, dass die Gebhard durch meine
Schuld gestorben, so hätte ich mich zu ihr in das Grab
gelegt." Diese Beteuerungen erscheinen aber mehr als
unglaubwürdig. Denn schon nach dem ersten Anschlag war
die junge Mutter ja schon ernsthaft erkrankt und gewiss
genug "durch Erbrechen geplagt". Warum also gab sie ihr
dann 2 Tage später auch noch das noch stärker
vergiftete Bier zu trinken?
Der wahre Grund für diesen Mord dürfte wohl
wieder in ihrem völlig unrealistischen Männerbild
zu finden sein. Auch wenn sie wusste, dass sie nicht mehr
so unwiderstehlich wirken konnte wie als junges
Mädchen, so bildete sie sich doch ein, noch eine
gewisse Anziehungskraft zu haben. Jedenfalls stimmte ihr
Selbstbild in keinster Weise überein mit dem Bild der
kleinen, alten, verlebten, hageren, buckeligen Frau, das
andere von ihr hatten. Sie glaubte, sie müsse dem Mann
ihrer Wünsche nur genügend schmeicheln, ihn
umsorgen und verwöhnen, dann würde er sich
über kurz oder lang schon in sie verlieben. Dass ihre
Art dieser Fürsorge von den umworbenen Männern
eher als aufdringlich und lästig empfunden wurde, dass
ihre Schmeicheleien der Haushälterin für ihren
Arbeitgeber oft falsch und einschleimend wirkten, merkte
sie nicht oder wollte sie nicht bemerken.
Nachdem Anna Zwanziger Gebhards Haus verlassen musste, wurden
einige Briefe gefunden, die sie in ihrer Kommode
zurückgelassen hatte. Aus ihnen geht hervor, dass
sie tatsächlich sowohl bei Glaser als auch bei
Grohmann gehofft - ja fast sogar erwartet - hatte, diese
würden sie heiraten. Und weiter, dass sie nach
Grohmanns Tod diese unerfüllten Wünsche
schnell auf Herrn Gebhard projizierte. Obwohl er ihr nie
auch nur den geringsten Anlass dazu gab, glaubte sie, er
würde zumindest Zuneigung für sie empfinden.
Sie konnte wohl nicht ernsthaft erwarten, dass er kurz
nach dem Tod seiner Frau seine viel ältere
Haushälterin ehelichen würde. Aber sie
erwartete offenbar, dass sie sich mit dem Tod der
Ehefrau für Gebhard zunächst einmal als
Kinderfrau unverzichtbar werden würde. Alles
weitere würde sich dann schon mit der Zeit in ihrem
Sinne entwickeln.
Die weiteren ihr zur Last gelegten Giftanschläge auf
Besucher des Hauses Gebhard räumte die Zwanziger
weitgehend ein, allerdings redete sie sich auch hier wieder
heraus. Entweder geschah es doch nur, um die Leute zu
strafen und zu quälen, die sie vorher doch "so
gequält" hatten. Aber natürlich nicht mit der
Absicht, diese Leute ernsthaft zu gefährden.
Oder es sei ein reines Versehen und gewiss nicht von ihr
gewollt gewesen. Im Hause Grohmann habe sie die Krüge
verwechselt, dieser Fehler sei ihr nicht noch einmal
unterlaufen. Aber sie habe die Krüge, in denen sie das
vergiftete Bier für Frau Gebhard angemischt habe,
anschließend wohl nicht gründlich genug
gereinigt. So sei ein Bodensatz Gift in ihnen
zurückgeblieben.
Hiermit versuchte sie insbesondere die Vergiftung der
Kegelgesellschaft am 1. September - also mehrere Monate
nach Frau Gebhards Tod - zu erklären. Und das, obwohl
die Krüge in der Zwischenzeit nachweislich mehrfach
wieder aufgefüllt worden waren. Angesichts der Schwere
der Vergiftung aller 5 Teilnehmer der Kegelrunde wirkte
dies natürlich nicht glaubwürdig. Zudem
bestätigte der damals herbeigerufene Arzt, er habe bei
den Erkrankten Symptome einer Arsenikvergiftung
festgestellt. Somit war auch ausgeschlossen, dass die
Erkrankung der ganzen Gesellschaft vielleicht doch eine
andere Ursache als das Gift der Zwanziger gehabt haben
könnte.
Wahrscheinlicher Hintergrund dieses Anschlags: Erstens
befand sich unter den Gästen auch jener Beck, den sie
ja schon einmal zu vergiften versucht hatte. Zweitens war
es ihr einfach lästig, dass sie die Gäste jetzt
nicht mehr nur im Haus, sondern auch noch draußen auf
dem Kegelplatz bedienen sollte. Sauer über diese
zusätzlichen Umstände traf sie dann keinerlei
Vorkehrungen, damit nur Beck von dem stark vergifteten Bier
trinken sollte.
Eine Schuld an der Vergiftung der beiden Dienstmädchen durch Kaffee am Morgen ihrer Abreise stritt sie bis zuletzt ab. Dagegen gab sie zu, dem Kind an diesem Morgen Mückenstein verabreicht zu haben. Dies wiederum nicht in der Absicht, dem Baby zu schaden oder es gar zu töten. "Sondern nur ihm Übelkeit zu erregen, und es unruhig zu machen, damit Gebhard bewogen werde, sie, zur Beruhigung seines Kindes, von Bayreuth wieder zurückzurufen, wo sie deshalb 4 Wochen sich aufgehalten habe." Dies bestätigen auch einige Äußerungen in den Briefen, die sie in ihrer Kommode zurückließ oder später aus dem Haus seiner Schwiegermutter an Gebhard schickte.
Was schließlich die Vergiftung des Salzfasses und der
Salztonne im Hause Gebhard angeht, die ihr ja letztendlich
zum Verhängnis wurden:
Sie räumte ein, am Vorabend ihrer Abreise eine Prise
Rattengift in das Salzfass in der Küche gemischt zu
haben. "Damit bei meinem Abgang alle, die im Hause blieben,
etwas kriegten und ich der Magd einen Verdruss zuziehe."
Dagegen stritt sie ab, auch den Vorrat in der Salztonne
vergiftet zu haben. Dabei hatte die Magd doch beobachtet,
wie sie das Salzfass aus der Tonne füllte, dieses dann
verschloss und in die Küche stellte, ohne an dem Salz
im Fass noch irgendwie zu manipulieren. Und die
Untersuchung hatte ja ergeben, dass das Gift in Fass und
Tonne absolut identisch waren.
Dieses Phänomen zog sich schon durch ihr ganzes
Geständnis. Sie gab einen Teil ihrer Schuld zu, diese
Teilgeständnisse für sich allein genommen
reichten aus, dass das Urteil am Ende des Prozesses
eigentlich nur auf Todesstrafe lauten konnte. Trotzdem
versuchte sie bei anderen Taten, bei denen ebenfalls kein
Zweifel an ihrer Schuld bestehen konnte, ihr Verbrechen
klein zu reden oder gar vehement zu leugnen.
Vielleicht versuchte sie damit, einem verschärften
Todesurteil zu entgehen. Aber ihre Art zu leugnen wirkte
genauso falsch wie ihre Schmeicheleien früher gegen
ihre Hausherren und jetzt gegenüber dem leitenden
Untersuchungsrichter. Dies zusammen mit der Kombination der
Taten, die sie zugab oder leugnete bzw. klein zu reden
versuchte, ließen sie absolut unglaubwürdig
erscheinen. Etwa in der Art "Ich habe das Salzfass
vergiftet. Die Menge Salz darin hat absolut ausgereicht,
genügend Mahlzeiten zuzubereiten, dass alle Bewohner
des Hauses an schleichender Arsenvergiftung hätten
sterben können. Das wäre dann allein meine Schuld
gewesen. Aber die Vergiftung des weiteren Vorrats in der
Salztonne, das will mir jemand unterschieben."
Wahrscheinlich war sie am Ende ihres Lebens so falsch und
verschlagen, dass es ihr unmöglich geworden war,
einmal einfach aufrichtig zu sein, die Wahrheit zu sagen,
ohne gleich darauf eine Lüge hinterher schicken zu
müssen.
Am 7. Juli 1811 endete der Prozess in Bamberg mit dem
Urteil auf Tod durch das Schwert. Das
Oberappellationsgericht bestätigte dieses Urteil am
16. August. Anna Zwanziger nahm es ohne jede sichtbare
Gemütsbewegung hin. Und auch in den Tagen bis zum
Vollzug der Todesstrafe wirkte sie äußerst ruhig
und gelassen.
Ihrem Untersuchungsrichter gegenüber äußerte
sie in dieser Zeit: Ihr Tod sei für die Menschen ein
Glück, denn es würde ihr nicht möglich
gewesen sein, ihre Giftmischereien zu unterlassen. Auf
seine Frage, warum sie all diese Verbrechen begangen habe,
antwortete sie "Was mein Herz so böse gemacht hat?
Herr von W. ist daran Schuld. Als ich mir damals in
Nürnberg die Adern aufgeschnitten hatte, und er mein
Blut sah, da lachte er nur. Und als ich ihm vorhielt, dass
er schon einmal ein Mädchen unglücklich gemacht
habe, die mit ihrem von ihm erzeugten Kinde in das Wasser
gesprungen sei, da lachte er wieder. Schrecklich war mir
dabei zu Mute, und so oft ich nachher etwas Böses tat,
dachte ich bei mir selbst: Mit dir hat kein Mensch Mitleid
gehabt; so habe ich denn auch kein Mitleid, wenn andere
unglücklich sind."
Auch am Tag der Hinrichtung, dem 17. September 1811, zeigte sie äußerste Gelassenheit. Ungerührt hörte sie der öffentlichen Verkündung des Urteils zu. Zeitweise verbarg sie ihr Gesicht zwar hinter einem Taschentuch, aber nicht etwa, weil sie sich schämte oder gar weinte, sondern nur, weil die große Zuschauermenge sie etwas nervös machte.
Kurz vor Vollstreckung der Todesstrafe redete ihr der Untersuchungsrichter noch ein letztes Mal ins Gewissen, sie möge ihre verleumderische Beschuldigungen gegen Herrn Glaser jetzt öffentlich zurücknehmen. Aber trotzig beharrte sie auf ihrer Behauptung, er wäre an der Vergiftung seiner Frau beteiligt gewesen. Sie starb also, wie sie auch die meiste Zeit gelebt hatte: Mit einer Lüge auf den Lippen.
29. 1. 2004
Petra Hannebauer
Quelle: Anselm Ritter von Feuerbach "Merkwürdige Verbrechen in aktenmäßiger
Darstellung"
In Auswahl herausgegeben von Wilhelm von Scholz 1913
[1] In späteren Berichten über ihre Jugend behauptete Anna Zwanziger gerne,
bei ihrer Hochzeit erst 15 Jahre alt gewesen zu sein.
Amtliche Unterlagen belegen aber, dass dies nur eine
weitere Geschichte war, wie sie sie oft erzählte, um
sich wichtiger oder interessanter zu machen.
[2] Graues Arsen wurde damals auch als Mücken- oder
üblicher als Fliegenstein bezeichnet, weil man das Gift
auch zur Herstellung von damals gebräuchlichen
Insektenvernichtungsmitteln verwendete.